Kultur im Hinterzimmer?

In der letzten Stadtratssitzung wurde die Gründung einer „gemeinnützigen Kultur GmbH“ beschlossen. Diesse soll künftig über das Homburger Kulturleben entscheiden: Welche Veranstaltungen wo stattfinden, wer wieviel Zuschüsse bekommt, welche Räume zur Verfügung gestellt werden. Es erscheint sinnvoll, sowas in einer „gemeinnützige Gesellschaft“ zu regeln. Kann man dagegen was haben?
Wir haben uns den Gesellschaftsvertrag dieser künftigen GmbH angeschaut.
Zunächst ist vernünftig, etwas zu tun, um Steuern zu sparen, Synergien zu heben und Aufgaben zu bündeln.
Aber: Warum wählt man die Form einer GmbH? Solche Gesellschaftsformen machen Sinn, wenn es um Geld geht, Grundstücke, Eigentumsverwaltung. Aber für die Kultur?
Erfüllt ein eingetragener Verein nicht den gleichen Zweck?
Liest man weiter, fällt auf: Es soll 3 Gesellschaftsorgane geben.
Am wichtigsten ist die Gesellschafterversammlung, weil dort zB der Wirtschaftsplan erstellt wird. Wer ist die Gesellschafterversammlung? Es wird uns nicht gesagt. Also ist es der OB, denn er führt nach § 8 den Vorsitz. Demnach versammelt der OB sich mit sich selbst und kauft mal ein anderes Unternehmen, setzt dort Aufsichtsräte ein, verfügt über Gewinne und Verluste. Kontrolle des Stadtrats? Fehlanzeige.
Der OB sitzt zugleich dem Aufsichtsrat vor. Was unlogisch ist, denn der Aufsichtsrat sollte doch Aufsicht führen über alle Geschäfte, die im Namen der Gesellschaft getätigt werden. Der OB soll sich selbst überwachen?
Wer ist sonst noch im Aufsichtsrat? Ein Drittel der Mitglieder kommt von der Verwaltung. Die überwacht sich also auch selbst. Den Rest entsendet der Stadtrat. Geht es nach unserer „großen Koalition“, werden nur die Koalitionäre dort vertreten sein, denn die Opposition hat zu wenig Stimmen, um Vertreter zur Aufsicht zu bestimmen. Es überwacht also die Ratsmehrheit, die den OB sowieso stützt, OB und Verwaltung, die beim Überwachen helfen.
Der Aufsichtsrat tagt nichtöffentlich. Bisher sind die Kulturangelegenheiten zumeist öffentlich verhandelt worden. Es gab einen Ausschuss, der öffentlich tagte. Künftig wird er überflüssig sein. Die Kultur wird im Hinterzimmer verhandelt. Unter politischen Freunden.
Ja, es gibt auch einen Kulturbeirat. Aber dessen Vorsitzender darf nur dabei sitzen. Hat kein Stimmrecht und darf nix weitersagen. Sonst begeht er Geheimnisverrat. Kultur wird zur Geheimsache.
Wer wird in dieser GmbH den Ton angeben?
Die kulturtreibenden Vereine sicherlich nicht.
Der Stadtrat nur unwesentlich. Wenn es stimmt, dass es schon Aufsichtsratssitzungen gab, wo die Räte ausschließlich Tischvorlagen bekamen, die nach der Beratung wieder eingesammelt wurden, dürfte eine Aufsicht oder gar Lenkung durch den Rat, soweit überhaupt geplant, damit ausgeschlossen sein. Beschlussfähig soll dieses Gremium schon mit 5 Mitgliedern sein. Viele Einladungen kommen erfahrungsgemäß sehr kurzfristig. Berufstätige haben Probleme, sich freizumachen. 3 der 5 Mindest – Stimmberechtigten kommen von der Verwaltung. 2 davon sind Weisungsempfänger des OB. In manchen Sitzungen wird er mit seinen Beigeordneten mehrheitlich versammelt sein.
Wer wird also in dieser Gesellschaft den Ton angeben? Nur einer kommt dafür in Frage. Es ist einer, der sich im Aufsichtsrat selbst beaufsichtigen kann. Der sich mit sich selbst versammelt, wenn er als Gesellschafterversammlung die wichtigsten Entscheidungen trifft. Er ist zugleich Dienstherr der Geschäftsführung.
Sind monarchische Strukturen sinnvoll, um Kultur einen Entfaltungsspielraum zu geben? Kultur fügt sich normalerweise keinem Machtkalkül und entzieht sich kontrollierendem Eingriff. Sie will öffentlich verhandelt und aufgeführt werden. Sie ist gesellschaftliches Ereignis.

Uns wurde heute ein Vertrag vorgelegt, mit dem wir uns selbst entmachten.
Uns wurde heute ein Vertrag vorgelegt, mit dem Kulturpolitik künftig im Hinterzimmer verhandelt wird.
Uns wurde heute ein Vertrag vorgelegt, wo künftig ein OB allein entscheiden kann, wer in unseren städtischen Einrichtungen eine Veranstaltung machen darf und wer nicht.
Wer entscheidet, welcher Verein bei Stadtfesten und Weihnachtsmärkten an begehrten Plätzen einen Standplatz erhält? Bisher gab es darum oft böses Blut und es wurde zu Recht Transparenz gefordert. Ist das künftig zu erwarten?
Angenommen wir haben OB Wahl und der OB gibt seinem Freund Rüdiger Schneidewind den Musicpark für eine Sause. Einem Konkurrenten von der Opposition aber nicht. Mit der Begründung: Es ist im Moment leider nix frei. Wer kann ihn daran hindern?
Sie sagen, das sei schwarzgemalt?
Dazu gibt es eine Geschichte: Kürzlich hat ein Wirt vom Marktplatz im Musicpark eine Karaokeveranstaltung abhalten wollen. Er wurde beschieden, sein Vorhaben entspreche nicht dem Konzept für diese städtische Einrichtung. Ich frage Sie: Wer hat für die Music Hall ein Veranstaltungskonzept erstellt? Der Stadtrat? Die Kulturtreibenden? Wird die HinterzimmerGmbH sowas tun? Ich kann es mir nicht vorstellen. Laut § 9 und 12 ist sie für sowas garnicht zuständig. Zuständig ist die Geschäftsführung und die untersteht wem?

Liebe Ratsmitglieder!
Einem solchen Gesellschaftsvertrag kann eigentlich nur zustimmen, wer Anhänger der Monarchie ist.
Für uns trifft das nicht zu.

Winfried Anslinger