Am Abend des 5. Dezember 2011 stellte Dr. Schreiber von isoplan die Aktualisierung seines Einzelhandelskonzeptes für die Kreisstadt Homburg vor. Wir Grüne fordern ein belastbares Gutachten, das die Innenstadtverträglichkeit des Centers belegt. Es kann nicht darum gehen das ECE in dieser Größenordnung einfach per Annahme zu rechtfertigen, sondern es ist ein Konzept vorzulegen, das die Attraktivität der Innenstadt von Homburg langfristig erhöht. Dies ist nicht geschehen.
Zur Ausgangslage des ECE: Gegenüber der letzten Präsentation im Stadtrat (Sachstandsbericht am 22. September 2011) wurde die Flächenproduktivität auf rd. 3.550 EUR/m² leicht angehoben. Bei einer Verkaufsfläche von 18.000 m² beziffert Herr Schreiber den Gesamtumsatz auf 64 Mio. EUR. Woher kommt dieser Umsatz? Ein Viertel (16 Mio. EUR) aus Umverteilungen aus Innenstadtlagen, das zweite Viertel aus Umverteilungen aus nicht-innenstadtnahen Standorten und die Hälfte aus der zusätzlichen Anziehung von Kaufkraft, die bisher nach Kaiserslautern, Saarbrücken, Neunkirchen, aber auch Waldmohr und Zweibrücken geflossen ist.
Mit Hilfe eines Verträglichkeitsgutachtens muss die Planung eines Shopping Centers begleitet werden. Fließt mehr als 10 % des Umsatzes aus bestehenden Geschäften der Innenstadt ins Center, dann kann der Bau des Centers u.U. gerichtlich gestoppt werden. Überraschender Weise schätzt Herr Schreiber gar nicht die Höhe der Umsatzverlagerung, sondern er nimmt dies einfach als gegeben hin – und zwar mit genau den maximal zulässigen 10 %. Folglich bestätigt er die Innenstadtverträglichkeit, indem er die Annahme genauso festsetzt. Das widerspricht methodisch jeder gängigen Vorgehensweise.
Das zweite Viertel an Umsatzverlagerung aus der Peripherie Homburgs in das Center beruht ebenso größtenteils auf einer einfachen Annahme: Ein Elektromarkt (z.B. promarkt, Alphatecc) soll überzeugt werden in das ECE überzusiedeln. Wie dies praktisch zu gewährleisten ist, bleibt auf Nachfrage das Geheimnis von Herrn Schreiber.
Rechtlich hat die Stadt keinerlei Handhabe bestimmte Unternehmen ins ECE zu schicken, oder anderen Unternehmen den Umzug ins ECE zu verbieten. Sollten Saturn (statt dem verschwisterten MediaMarkt) und H&M ins ECE einziehen, dann kommt es automatisch zu einer zusätzlichen innenstadtrelevanten Umsatzverlagerung von 13-16 Mio. EUR. Das Center wäre damit selbst nach der „Methode Schreiber“ nicht mehr innenstadtverträglich.
Methodisch korrekt wäre es zudem, mehr als nur ein einziges Szenario zu testen. Das hat Herr Schreiber nach eigener Aussage nicht getan. Als Grundlage für weitere Szenarien bieten sich die Entwicklung des Vauban-Carrees, die Auswirkungen des ECE in Kaiserlautern und die Planungen in Zweibrücken ebenso an, wie tatsächliche Umsatzzahlen aus bestehenden ECE-Centern zu nutzen.
Wie wahrscheinlich wird von Herrn Schreiber die angesetzte Flächenproduktivität angenommen? Dazu machte er keine Aussage. Damit bleibt das Risiko einer Fehlentscheidung offen.
Das Beispiel aus Hameln (ECE Stadtgalerie) zeigt, dass solche Risiken sehr realistisch sein können: Im März 2008 öffnete dort das Center mit weiteren 13.000 m² an Verkaufsfläche in der Innenstadt (+42 % Verkaufsfläche – in Homburg kämen rund 70 % hinzu!). Das Verträglichkeitsgutachten hatte eine Umsatzumverteilung von 8,5% prognostiziert – also innenstadtverträglich. Zwei Jahre später attestierten Möller-Systemanalysen (2010) eine tatsächliche Umverteilung von 23 %, hohe Leerstände sowie die teilweise Verödung der Innenstadt. Aufgrund der eingetretenen Umsatzumverteilungen hätte das Center nie gebaut werden dürfen. Die Augen vor unterschiedlichen Szenarien und Eintrittswahrscheinlichkeiten zu verschließen ist somit grob fahrlässig! Um eine Innenstadtentwicklung wie in Hameln für Homburg zu vermeiden, ist das Märktekonzept von isoplan nüchtern auf seine Plausibilität zu prüfen.
Apropos, Plausibilität: Herr Schreiber hat im Dezember 2006 ein Märktekonzept für die Kreisstadt Homburg vorgelegt. Dort hat er mit keinem Wort ein Shopping Center gefordert.
Und es kommt noch deutlicher: „Eine Kompensation der Verluste“ (aufgrund des Bevölkerungsrückgangs bis 2020 um 9%) „durch eine stärkere Kaufkraftbindung ist … unwahrscheinlich. Mittelfristig werden somit mindestens 10 % der verfügbaren einzelhandelsrelevanten Kaufkraft entfallen. Bei gleichbleibender Flächenproduktivität müsste die Gesamtverkaufsfläche in Homburg damit um mehr als 10.000 m² reduziert werden, in der Kernzone der Innenstadt um mindestens 2.500 m².“ (Schreiber 2006, S. 50)
Folglich forderte Herr Schreiber vor fünf Jahren die Reduktion der Verkaufsfläche in der Innenstadt. Heute stellt er dem ECE Center mit einer zusätzlichen Verkaufsfläche von 18.000 m² eine Unbedenklichkeitsbescheinigung aus. Des Weiteren sieht er einen Ausbau des westlichen Pols in der Talstraße (Vauban-Carree mit 4-5.000 m²) als wünschenswert an.
Zwei Gutachten vom selben Autor enthalten diametral widersprechende Ergebnisse und Empfehlungen. Scheint dies auch Herrn Schöner indirekt zu bemerken? Laut Landesentwicklungsplan Siedlung (2006) ist ab 5.000 m² Verkaufsfläche Einzelhandel die Durchführung eines Raumordnungsverfahrens erforderlich. Die Aufforderung des Ministeriums ein Solches einzuleiten, liegt der Stadt seit kurzem vor. Der Oberbürgermeister wehrt sich laut Ankündigung des heutigen Abends dagegen. Wäre das Gutachten von Herrn Schreiber plausibel und gerichtsfest, dann wäre von einer Prüfung durch das Ministerium nichts zu befürchten. „Dieses Gutachten von isoplan zur Innenstadtverträglichkeit des ECE ist mit einer solch heißen Nadel gestrickt, dass es eine nüchterne ministeriale Plausibilitätsprüfung sehr wahrscheinlich nicht übersteht“, so Marc Piazolo.
Statt auf ein überdimensioniertes ECE zu setzen, sollten sich alle Beteiligten inklusive des Investors in Ruhe zusammensetzen und ein zukunftsfähiges Konzept für eine langfristig lebenswerte Innenstadt entwerfen. Dazu wollen wir gerne beitragen. MP