Stadtratssplitter: Sitzung vom 18.07.2017

Nein zur B423neu

Die Diskussion um die B423 Ortsumfahrung Schwarzenbach/Schwarzenacker dauert in den politischen Kreisen seit 40 Jahren an. Trotz der langen Diskussionen, liegen erst jetzt mit dem Planfeststellungsverfahren die Fakten schwarz auf weiß auf dem Tisch. Dass der Homburger Umweltbeigeordnete Fremgen die Debatte mit dem Verweis auf die 40jährige Diskussion schon im Vorfeld der eigentlich demokratischen Anhörung im Planfeststellungsverfahren mit dem Argumenteaustausch für beendet erklärt hatte, ist mehr als bedauerlich und eines Umweltbeigeordneten unwürdig. Die Erhaltung eines Naherholungsgebietes und der Schutz von Biotopen und dem Schutz der Artenvielfalt sind kein Deckmäntelchen.

Redebeitrag: Winfried Anslinger

Ich stamme aus Ludwigshafen und bin an der BASF aufgewachsen. Der Berufsverkehr floss direkt an unserem Haus vorbei und es gab damals nur einfach verglaste Fenster. In Homburg haben wir 30 Jahre an der Ringstraße gewohnt. Wie es den Anwohnern in den Ortsdurchfahrten Schwarzenbach/acker geht, kann ich gut nachvollziehen. Mir ist es ein Anliegen, das Problem möglichst gut zu lösen. Mancherlei Argumente sind gefallen, es gibt auch Entgegnungen. Beides muss gewichtet werden. Ich will jetzt systematisch für und wider abwägen. Es wird nicht langweilig.

Die Befürworter geben an, die neue Trassenführung sei dringend nötig, sonst würden die Ortsdurchfahrten in Schwarzenbach und Schwarzenacker im Jahr 2030 von 30 000 Autos durchfahren. Alles würde dann ersticken in Staus und Abgasen. Diese Zahl widerspricht leider allen bisherigen Erhebungen und Prognosen. In Wahrheit hat die Zahl der Fahrzeuge in den letzten Jahren um ein Viertel abgenommen, weil die Homburger ihre Lebensmittel nicht mehr in Einöd bei Globus kaufen. Die Zahl wird weiter zurück gehen, weil das Durchschnittsalter bei uns zunimmt, der Anteil der Rentner wird sich erhöhen. Die müssen nicht mehr täglich zur Arbeit fahren. Und es wird immer mehr per Internet eingekauft. Die Horrorprognose ist falsch.

Es wird aber gesagt, die neue Trasse trage zur Verkehrsentlastung in den Ortsdurchfahrten bei. Ein großer Teil der Fahrzeuge werde künftig die neue Umfahrung nutzen. Das wäre natürlich gut und da wären wir dabei. Tatsächlich aber zeigen die Zahlen, dass nach dem Bau der neuen Trasse ebenso viele Fahrzeuge durch die Orte fahren werden wie zuvor. Wie kommt das? Das kommt daher, dass die neue Trasse in Wirklichkeit nicht der Entlastung dienen soll, sondern dem Anschluss neuer Gewerbegebiete, die gegenwärtig stillliegen (DSD bis Entenmühle). Der zuständige Staatssekretär hat das in einem Zeitungsartikel indirekt zugegeben und seine Einschätzung wird von den Zahlen gestützt. Der Ziel und Quellverkehr innerorts wird gleich bleiben und wer ins Bliestal oder doch noch zum Globus will, dem nützt die Umfahrung nichts. Einiges wird durch das neue Gewerbe hinzukommen (z. B. Handwerksbetriebe in Forumsnähe). Ergo: Den Anwohnern der alten Trasse werden seit Jahren Erleichterungen versprochen, die man gar nicht schaffen kann und will. Ja schlimmer noch: Man hätte die größten Probleme vor Ort längst mit geringem Aufwand lösen können. Durch den Einbau von Flüsterasphalt, Ampeln, ein Nachtfahrverbot für LKW. Ein Förderprogramm für Dreifachverglasung könnte 80% Lärmminderung bringen, Lüftungsanlagen an den belasteten Häusern würden vor Feinstaub und Abgasen schützen. Zu einem Bruchteil der Kosten. Aber genau das wird von den Befürwortern verweigert mit dem Hinweis, ist unnötig, bald komme doch die große Lösung. Und wenn die Grünen nicht wären… Die Anwohner werden über die wahren Absichten getäuscht und zusätzlich benutzt, um ein ganz anderes Ziel durchzusetzen.

Es wird behauptet, die neue Trasse sei nötig, um eine Fortentwicklung der Stadt zu ermöglichen. In Wirklichkeit blockiert sie aber die Entwicklung. Seit Jahren steht alles, was um das Forum herum geschieht, unter Vorbehalt. Veränderungssperren wurden erlassen, das DSD Gelände und die Flächen bis zur Entenmühle liegen seit langem brach, die Gebäude verfallen, nichts geht voran. Dabei brauchen wir z. B. Wohnraum im Innenbereich, Platz für Kleingewerbe. Das könnte dort entstehen und es gibt sogar Interessenten dafür. Der OB hat sie abgewimmelt. Anscheinend weil man für solche Nutzungen keine Umgehungsstraße benötigt.

Die geplante Trasse richtet einen riesigen Flurschaden im Naturhaushalt an. Die Mastau hat für den Homburger Süden als Naturfläche, Frischluftzone und für die Kühlung der Innenstadt im Sommer eine große Bedeutung. Es erstrecken sich dort 2 von unseren 4 Landschaftsschutzgebieten, ein Vogelschutzgebiet und ein FFH Gebiet. Die Straße durchschneidet das Biotopnetz, was zu dessen Funktionsverlust führt. Es werden 250 000 qm Landschaft überbaut. Wälder, Gehölze, Feuchtwiesen, wertvollste Lebensräume fallen unwiederbringlich weg. Viele betroffene Arten stehen auf der roten Liste. Der Eingriff in die Natur ist beispiellos und so drastisch, dass er nicht ausgeglichen werden kann.

Es wird behauptet, der Eingriff ließe sich doch ausgleichen, nämlich am Oberlauf des Erbach. Aus Sicht des Naturschutzes muss ich das zurück weisen: Ausgleich soll möglichst vor Ort geschehen. Schon das ist nicht möglich. In den Fledermauszäunen bleiben die Störche hängen. Der angebotene Ersatz zwischen Erbachquelle und Eduard Vollmer Platz ist ein Etikettenschwindel. Diese Maßnahme sollte nämlich schon vor 30 Jahren durchgeführt werden. Im Rahmen eines landesweiten Renaturierungs-Programms. Es war damals alles geplant und finanziert. Die große Koalition im Stadtrat hat dann leider entschieden, dass man lieber das Waldstadion ausbaut und 2 Einbahnstraßen-Ringe in die Innenstadt legt. War eine politische Entscheidung. Der FC Homburg spielt mittlerweile 4 Ligen tiefer und die Einbahnringe sind mit Millionenaufwand wieder rückgängig gemacht. Nur der Erbach wartet immer noch auf Renaturierung. Jetzt soll das Versäumnis nachgeholt werden. Dagegen hat niemand etwas. Aber doch bitte nicht als Rechtfertigung, um am Unterlauf großflächig Natur zerstören zu können. Politik sollte kein Verschiebebahnhof von Interessen sein, sondern Gestaltung nach Konzepten, die allgemein akzeptiert werden.

Es kommt noch schlimmer. Die beanspruchte Fläche berührt das Eingangstor zum Biosphärenreservat Bliesgau, welches eigentlich für Radwege, Park and Ride und Wandertourismus vorgesehen ist. Diese Planungen werden zunichte gemacht, wenn auf einem wesentlichen Teil des Gebiets ein Lärmkorridor entsteht, wo weit mehr als 10 000 Fahrzeuge täglich verkehren. Darunter werden viele LKW aus den neuen Gewerbegebieten sein. Nicht nur die Biosphäre wird damit geschädigt, auch für die Homburger geht ein wichtiges Naherholungsgebiet verloren. Die Landschaft wird dauerhaft zerschnitten, durch Rampen und Brückenbauwerke verschandelt.

Leider wird die Landschaft auch dauerhaft verlärmt. Wohnbereiche, die bisher relativ ruhig liegen, würden künftig von 10 – maximal 19 000 Fahrzeugen neu belastet. Ich spreche von Wohnungen am Steinhübel, am Johanneum, dem Gebiet am Zweibrücker Wasserwerk, von Beeden–Süd, von Wohnbereichen in Schwarzenbach zum Bliestal hin, von Wörschweiler. Die obere Zahl mag übertrieben sein, aber so steht es in den Unterlagen. Allein am Steinhübel leben jedoch mehr Menschen als an beiden Ortsdurchfahrten zusammen. Durch die neuen Belastungen wird ein Vielfaches an Wohneinheiten betroffen sein. In der ausgeräumten Landschaft wird sich der Lärm großflächig verteilen können, ähnlich wie der Autobahnlärm der A8. Adäquate Lärmschutzmaßnahmen wären kaum bezahlbar.  Fazit: Es wird von Entlastung gesprochen und genau das Gegenteil wird gemacht. Es wird von Entwicklungsmöglichkeiten gesprochen und genau das Gegenteil wird eintreten. Ist das jetzt böser Wille? Ich will das nicht unterstellen. Ich glaube eher, das ist gelebtes Chaos, der Alltag in unserer Homburger Stadtplanung.

Bei einer nachhaltigem Stadtplanung könnte man an den Ortsrändern und auf den Ackerflächen in der Erbachau verkehrsberuhigte und naturnahe Wohngebiete anlegen, hunderte könnten innenstadtnah oder naturnah wohnen, relativ ruhig. Spielplätze, Gärten, familien und kindgerechte Erlebnisbereiche könnten entstehen und gleichzeitig blieben die wertvollsten Naturflächen erhalten. Stattdessen wird ein zusätzliches Gewerbegebiet erschlossen. Als ob wir nicht genug davon hätten. Allein am Zunderbaum stehen Flächen leer, die so groß sind wie ein Stadtteil: eine halbe Million qm. Es gibt weder jetzt noch künftig einen Bedarf für weitere 250 000 qm. Und auch keinerlei Nachfrage.

An den Stammtischen hört man, die große Koalition könne das nicht auf sich sitzen lassen. Den Bürgern 40 Jahre lang etwas zu versprechen, was am Ende nicht kommt. Wird die Straße nicht gebaut, werde man von niemandem mehr ernst genommen. Da müssen wir Ihnen leider recht geben.

Redebeitrag: Yvette Stoppiera-Wiebelt

Auch wenn die GroKo immer wieder behauptet, dass sich in den vergangenen Jahren nie Gegner des Projektes bei ihnen gemeldet hätten – wir Grüne in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder gegen diese unsinnige Straße argumentiert. Auch wir sind Bürger dieser Stadt. Wenn man die Ohren aufgemacht hätte, hätte man auch die Gegenstimmen hören können.

Man muss zur Kenntnis nehmen, dass sich die Welt in den vergangenen 40 Jahren weitergedreht hat und sich in den nächsten 20 Jahren noch sehr verändern wird. Mobilität wird sich verändern, alternative Autoantriebe werden sich durchsetzen, die Digitalisierung führt zur Industrie 4.0. In 2030, das hört sich zwar weit entfernt an, ist aber schon in 13 Jahren, wird sich die Altersstruktur in Homburg im Vergleich zu 2012 stark verändern: die Generation Ü65 und Ü80 wird jeweils um mehr als 40% zunehmen. Die Generation Ü16 bis U24 wird um ca. 25%, die Generation der 45 bis 64 jährigen wird um 20% sinken. Die Bevölkerung in der Westpfalz wird bis 2035 um 10% abnehmen. Im Saarpfalzkreis um 10% und im Kreis Kusel um fast 15%. Die Antwort auf Alterung kann nicht sein, für immer weniger Menschen immer mehr Straßen zu bauen, die immer weniger Menschen unterhalten müssen.

Auf unsere Frage an das LfS bei der Infoveranstaltung im März wie denn bei derzeitigen 13.000 Fahrzeugen pro Tag in einer Region, die dem demographischen Wandel unterlegen ist, im Jahr 2030 im Planfall 0 plötzlich 23.000 Fahrzeuge, also fast doppelt so viele wie heute prognostiziert werden, wurde mir mitgeteilt, dass die Aufsiedlung des DSD-Gelände dies bedinge.

Wir haben uns die zugrunde gelegten Verkehrsprognosen für die B423 Ortsumfahrung näher angeschaut. Dem Informationsfreiheitsgesetz sei Dank, denn in den Planunterlagen sind die Annahmen für die plötzliche Verkehrsmengenvermehrung nicht enthalten. Neben der Aufsiedlung von dem Gewerbegebiet G17 im Beeder Süden sollen auf dem DSD Gelände 4,5 ha Handelseinrichtungen entstehen und 15 ha Gewerbe mit Industriepark, Gewerbepark, Handwerk und Produktion und Büros. Durch die gewerbliche Aufsiedlung entstehen 3.500 Fahrten/24 h. Bei den Handelseinrichtungen sollen 20.550 Fahrten/24 h entstehen. Ein Schwerlastverkehr von 20% im Bereich der Saarbrücker Straße, also mitten in der Stadt wird prognostiziert. Damit kann mit Sicherheit nicht mehr die Lärmentlastung in den Vordergrund gestellt werden. Die Verkehrssicherheit in Schwarzenbach-Schwarzacker ist nach den Planfeststellungsunterlagen nicht gefährdet. Stattdessen schafft man viele Kreisel, die neue Gefahrenstellen gerade für die fahrradfahrenden Schüler des Johanneums werden können. Verkehrssicherheitsprobleme werden erst mit der Ortsumfahrung erzeugt.

Uns ist nicht bekannt, dass der Stadtrat die Bauleiplanung eines SB-Warenhauses mit 25.000m², einen Möbelmarkt mit 38.000m² und ein Einkaufzentrum mit 45.000m² auf dem DSD Gelände beschlossen hat. Wieso werden in der Verkehrsprognose Annahmen bezüglich der Bodennutzung getroffen, für die der Bedarf gar nicht ermittelt, Alternativen nicht geprüft und parallel in der jüngeren Vergangenheit Baurechte geschaffen wurden für ein Shoppingcenter auf dem Enklerplatz, für den Edeka-Markt in der Mannlichstraße, für die vielen Verkaufsflächenerweiterungen von Aldi, Lidl und Co sowie für ein ca. 125 ha großes Industrie- und Gewerbegebiet am Zunderbaum?

Der Markt in Homburg ist mehr als gesättigt. Die Verkaufsflächen in Homburg sind mehr als doppelt so hoch wie im saarländischen und bundesdeutschen Durchschnitt. Verdrängungs- und Kanibalisierungsdruck werden sich weiter erhöhen, Planungs- und Investitionssicherheit wird weiter verschwinden, neben dem Enklerplatz wird offenbar nun ein 2. Angriff auf die Innenstadt geplant. Woher soll in 2030 eigentlich die Kaufkraft kommen, wenn das Rentenniveau bei 43% angekommen sein wird?

Nach unserer Meinung wird die B423 neu als Anlass genommen, mehr Industrie und noch mehr Handel zu entwickeln, ohne dass je der zukünftige Bedarf und auch die Marktgängigkeit der Planungen festgestellt wurde. Auf Grundlage eines 40 Jahre alten Flächennutzungsplanes kann man keine Stadtentwicklungspolitik mehr betreiben. Wie sieht denn der Bedarf an Gewerbeflächen, Wohnflächen, Handelsflächen, Gemeinbedarfsflächen im Jahr 2035 aus? Wann wird ein neuer Flächennutzungsplan, der ein roter Faden für die zukünftige Stadtentwicklung sein sollte, aufgelegt?

Wir lehnen einen neuen Autobahnzubringer, der große Flächen in der Erbachaue und der Mastau versiegelt, der das Landschaftsbild mit 9,50 m hohen Brückenbauwerken und ihren Rampen verändert, der Natur- und Lebensräume sowie ein Naherholungsgebiet zerstört, ab. Vielmehr sollten wir uns Gedanken darüber machen, welchen Bedarf die Stadt Homburg in 2035 haben, wo zurückgebaut werden muss, wo und wie Flächen sinnvoll reaktiviert werden. An diese Aufgabe sollte man realistisch herangehen und nicht, wie üblich in Homburg, zu einem Wunschkonzert werden lassen. (YS)