Unser traditionelle Neujahrsempfang des Stadtverbandes und Stadtratsfraktion fällt corona-bedingt aus. Wir hoffen, dass sich die pandemische Lage im Zuge einer erfolgreichen Impfkampagne ab dem Frühjahr entspannen wird. Bleiben Sie gesund!
Wie sieht die allgemeine politische Lage in Homburg aus? Hierzu einige persönliche Gedanken:
Entwicklungspotentiale für Homburg
Die Stadt steht auf ganz unterschiedlichen Ebenen vor sehr großen Herausforderungen. Versäumnisse und Missstände aus der Vergangenheit erschweren bzw. belasten häufig das Tagesgeschäft. Hieraus die richtigen Konsequenzen zu ziehen, eröffnet die Chance die Weichen für eine ökonomisch und ökologisch nachhaltigere Zukunft zu stellen. Aufgrund der offenen politischen Machtverteilung im Rat und anderen Persönlichkeiten finden überzeugende Argumente seit 1,5 Jahren immer öfter Gehör. Das stimmt mich grundsätzlich positiv.
Kurzfristig gilt es die Auswirkungen der Pandemie noch besser in den Griff zu bekommen – in den Bereichen, auf die die Stadt Einfluss hat: hierzu zählen u.a. der effektivere Schutz von Risikogruppen (Abstandsregeln in Stadt und Verwaltung), die unbürokratische Unterstützung besonders betroffener Betriebe (Gastronomie, Einzelhandel) und von Kulturschaffenden, flexiblere Handhabe beim Angebot von Schulbussen sowie die Vorbildfunktion des Rates (Sitzungsorganisation).
Langfristig – und damit strukturell – steht der Stadt in den kommenden zehn Jahren ein deutlicher Wandel auf mehreren Ebenen bevor. Der Stadtrat mit seiner politischen Entscheidungskompetenz muss die Weichen so stellen, dass unsere Stadt zukunftsfähig wird.
a. Der Strukturwandel in der Automobilindustrie hat aufgrund ihrer starken Stellung als Arbeitgeber und Gewerbesteuerzahler gravierende Auswirkungen auf viele Mitbürger als auch auf den städtischen Haushalt. Zum einen müssen wir in der Ansiedlungspolitik die Branchenstruktur diversifizieren und Ausgründungen aus der Universität und Start-ups fördern. Ziel sollte es sein das nächste BioNTech in Homburg anzusiedeln. Zum anderen gilt es die Homburger Unternehmen in ihrem Strukturwandel so zu begleiten, dass zukunftsträchtige Produktion & Entwicklung vor Ort angesiedelt wird (z.B. Wasserstofftechnologie bei Bosch und die Investition in eine Wasserstofftankstelle durch eigene Wasserstofffahrzeuge im städtischen Fuhrpark unterstützen).
b. Die Verkehrswende nicht nur überregional angehen – statt B423neu ist die Reaktivierung der S-Bahnstrecke HOM-ZW so zu begleiten, dass diese auch von der Bevölkerung angenommen wird (z.B. über Park + Ride Plätze und Busanbindungen). Gleiches gilt für den ÖPNV. Für den innerstädtischen Verkehr müssen die Alternativen zum PKW über das schon in Auftrag gegebene Radverkehrskonzept gestärkt werden. Zusätzlich braucht es ein schlüssiges Parkraumkonzept für die Innenstadt. Fahrten zur Parkplatzsuche würden minimiert. Verkehrsberuhigung und ein autofreier Marktplatz erhöhen die Aufenthaltsqualität der Altstadt.
c. Um die Innenstadt zu beleben, gilt es dort oder in fußläufiger Nähe Wohnraum zu entwickeln. Mit den Planungen für ein kleines gemischtes Quartier am Zweibrücker Tor und für ein großes Quartier auf dem ehemaligen DSD-Gelände am Forum sind Anfänge gemacht. Das Vauban Carreè und der Enklerplatz sollten alsbald folgen. Die Zeit für Shopping-Center in Städten unserer Größe ist passè – mit einem neuen Einzelhandelskonzept für die Innenstadt soll die Stadt die Gestaltungshoheit am Enklerplatz wieder übernehmen. Für eine bessere Aufenthaltsqualität ist der öffentliche Raum stärker zu begrünen und mit ansprechenderem & einheitlichem Mobiliar auszustatten.
d. 2019 verabschiedete der Rat auf unsere Initiative hin das Paket Mehr Klimaschutz in Homburg. Darin finden sich viele konkrete Maßnahmen, die erst nach und nach umgesetzt werden können. Die prekäre Haushaltslage schränkt den Handlungsspielraum oft ein. Es gibt jedoch auch investive Maßnahmen, die von Land & Bund gefördert werden oder sich relativ schnell amortisieren. Mit einem Klimaschutzmanager (ab Frühjahr 2021) ist eine Beschleunigung der Umsetzung zu erwarten. Für einen effektiveren Schutz des Naturgutes „Wasser“ vom Grundwasser bis hin zu den Weihern in Jägersburg sowie der Blies und dem – noch zu oft schäumenden – Erbach setzen wir uns ein. Konkret geht es um eine restriktive Handhabe für die angedachte Trinkwasserförderung im Taubental, ein verschärftes Abwasser-Monitoring mit Restriktionen für gefährdende Einleiter sowie der Forderung nach Investitionen in eine neue Klärstufe für die Kläranlage des EVS in Homburg.
e. Eine ganz große Herausforderung ist die strukturelle Gesundung des städtischen Haushaltes. Die Stadt hat über viele Jahre finanziell weit über ihre Verhältnisse gelebt. Dies geht zu Lasten der jüngeren Generation, deren Gestaltungsspielräume damit erheblich eingeschränkt wurden. Sparanstrengungen und Einnahmeerhöhung müssen in einem abgewogenen Verhältnis zueinanderstehen. Aufgrund der personellen Einsparungen in der Verwaltung ist deren Reorganisation hin zu effizienteren Einheiten unabdingbar. Die Skandale der letzten Jahre untergraben die Motivation vielfach engagierter Mitarbeiter, zum anderen zersetzen sie die öffentliche Glaubwürdigkeit in die Verwaltung. Eine rasche Aufarbeitung und Aufklärung über Missstände sind weiterhin nötig. Ziel muss es sein schnell Entscheidungs- und Verwaltungsprozesse rechtlich sauber abzubilden. Ein klarer Neuanfang an der Stadtspitze würde helfen verlorene Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen.
Schritt für Schritt lässt sich dieser Kranz an Herausforderungen – aus meiner Sicht – durchaus abarbeiten. Die Hoffnung dafür fraktionsübergreifende Koalitionen der Mutigen zu schließen besteht. Kommen wir zu den konkreten Schwerpunkten für das Jahr 2021:
Die fortwährende Konkretisierung der Klima- und Naturschutzmaßnahmen wird neben dem Gewässerschutz eine zentrale Rolle spielen. Wir unterstützen die Verwaltung beim Abwasser-Monitoring und dessen Umsetzung gegenüber der einleitenden Industrie bzw. des Gewerbes. Auf die Zusammenarbeit mit der/m neuen Klimaschutzmanager*in für ein realisierbares Klimaschutzkonzept freuen wir uns.
Das neue Radverkehrskonzept wollen wir mit kostengünstigen konkrete Maßnahmen rasch umzusetzen und ergänzen, um den Alltags- wie Freizeitradverkehr deutlich attraktiver zu gestalten. Der Boom an E-Bikes hat die Reichweite gerade für Berufstätige deutlich erhöht.
Maßnahmen zur Erhöhung der Attraktivität der Innenstadt und unterschiedlicher touristischer Highlights (u.a. Schlossberg, Jägersburger Weiher, Römermuseum) wollen wir entwickeln und zur Diskussion bringen. Als Teil des UNESCO Biosphärenreservats Bliesgau unterstützen wir dessen Erweiterung. Die Homburger Leuchttürme sollten effektiver gemeinsam touristisch vermarktet werden.
Die Planungen für die vier innenstadtnahen „Brachen“ (DSD-Gelände, Zweibrücker Tor, Vauban-Carrée, Enklerplatz) sind weiter voranzutreiben. Diese mittelfristig erfolgreich auszugestalten und mit Leben zu füllen – darin liegt ein großes Potential für unsere Stadt. Die Sanierung der Hohenburg inkl. deren Nutzung, die Platzgestaltung davor und ein mögliches Parkhaus dahinter stellen ein städtisches Großprojekt dar, das unter nachhaltigen Rahmenbedingungen unsere Unterstützung hat. Für den Erhalt der historischen Bausubstanz in der Altstadt ist die neue Altstadt- bzw. Sanierungssatzung als Grundlage für Fördermöglichkeiten der Eigentümer endlich zum Abschluss zu bringen.
Aufgrund des Sanierungshaushaltes können wir größere Projekte nur über passende Förderprogramme mit einem kleinen Eigenanteil der Stadt finanzieren. Trotzdem sind nur diejenigen Projekte sinnvoll, die die Stadt auch wirklich voranbringen. Das Schlossbergprojekt muss den Schlossberg touristisch deutlich aufwerten – eine alleinige Renovierung bzw. Sanierung des bestehenden Angebotes reicht nicht aus. Ein zusätzlicher Zugang über die Höhlenanlage vom Fuße des Schlossbergs aus, könnte die Attraktivität steigern ebenso wie ein autonom fahrender Shuttle-Kleinbus. Innovation ist gefragt.
Aus einer Grünanlage vor der Hohenburgschule muss sich eine nachhaltige Erhöhung der Aufenthaltsqualität und des Klimaschutzes ergeben. Der Erhalt des bestehenden Baumbestandes, die Auflockerung der Versiegelung und eine stärkere Begrünung haben für uns Priorität. Alle Maßnahmen müssen sinnvoll sein und dürfen nicht zu hohen Folgekosten führen. Dafür hat Homburg kein Geld.
Apropos Finanzen … Sparanstrengungen und Steuer-/Abgabenerhöhungen müssen in einem ausgewogenen Verhältnis zueinanderstehen. Zuerst gilt es abzuklären, wie weit die Haushalte 2021-23 mit den aktuell schon beschlossenen Sparanstrengungen und Steuer- & Gebührenerhöhungen voraussichtlich im Defizit liegen. Es geht uns dabei um die strukturelle und weniger um die konjunktur(corona)bedingte Haushaltsentwicklung.
Die grundsätzliche Struktur des städtischen Haushaltes muss mittelfristig auf ausgeglichen Füßen stehen. Für coronabedingte Ausfälle ist Landes- bzw. Bundeshilfe einzufordern. Sollten weitere Anstrengungen nötig sein, um einen genehmigungsfähigen Haushalt zu erreichen, dann sind Maßnahmen, die alle Bereiche der freiwilligen Ausgaben in gleichem Maße treffen, vorzuziehen. Eventuelle Einnahmesteigerung sind ebenfalls in der Breite anzulegen, um die Lasten möglichst fair zu verteilen.
Auch der Rat selbst sollte bei den Sparanstrengungen nicht ausgenommen sein. Konjunkturbedingte Einnahmeerhöhung und Sparmaßnahmen sind zudem zeitlich zu befristen.
Klar abgrenzbare Bereiche – wie z.B. die Müllentsorgung oder der Abwasserbereich – müssen verursachergerecht kostendeckend über die Gebühren der Nutzer finanziert werden. Aktuell scheint dies insbesondere bei der Müllentsorgung und bei den Friedhöfen nicht der Fall zu sein. Den EVS-Vertrag in der letzten Ratssitzung in 2020 – entgegen dem Ratschlag der Verwaltung in der Ausschusssitzung – nicht zu kündigen, war ein Fehler. Nachverhandlungen mit dem EVS sind erforderlich!
Es gibt viel zu tun in und für Homburg! Unterstützung ist herzlich willkommen, ebenso wie Anregungen – sprecht uns einfach an!
Marc Piazolo